Was heißt Mediation eigentlich?

Ganz kurz gesagt: Mediation heißt, dass zwei oder mehr Leute, die ein Problem miteinander haben, sich zusammensetzen und unter Moderation eines neutralen Mediators versuchen, dafür eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, die für beide Seiten passt.

Im Falle der Lehrlingsmediation sind die beteiligten Parteien üblicherweise der Lehrling und der Lehrbetrieb, und der Mediationsversuch findet üblicherweise bei einem einzigen Treffen von etwa 90-120 Minuten statt.

Wozu überhaupt Mediation? Ich will doch einfach nur meine Lehrstelle nicht verlieren…

Dann ist Mediation genau richtig!

Irgendwo ist aus Sicht des Ausbildungsbetriebes Sand im Getriebe, deswegen wurde eine Mediation in Gang gesetzt. Diese ist die ideale Gelegenheit, um Missverständnisse auszuräumen, Probleme direkt anzusprechen und neue Wege für das zukünftige Miteinander zu finden!

Selbst, wenn am Ende eines Mediationsversuchs dennoch die Auflösung des Lehrverhältnisses steht, kann es vielleicht möglich sein, beispielsweise Abmachungen zu treffen über den Inhalt des Arbeitszeugnisses, eine Empfehlung für einen anderen Lehrbetrieb oder eine überbetriebliche Ausbildung.

Muss ich da mitmachen?

Ganz klar: Nein.

Aber: Bei einer Verweigerung der Mediation steht am Ende ziemlich sicher die einseitige Auflösung des Lehrverhältnisses. Also gibt es beim Mitmachen eigentlich nichts zu verlieren und nur etwas zu gewinnen – wenngleich eine offene Aussprache über aufgetretene Probleme natürlich manchmal emotional unangenehm sein kann. Im besten Fall lernt man dabei aber zumindest etwas fürs weitere Leben.

Ich muss mir also jetzt eine Stunde lang anhören, was ich alles angeblich falsch gemacht habe?

Konflikte haben immer mehrere Seiten. Vielleicht ist man ja umgekehrt auch mit der einen oder anderen Sache im Lehrbetrieb unzufrieden, hat sich aber bisher noch nicht getraut, diese offen anzusprechen. Oder die Probleme haben sich bereits über Monate aufgeschaukelt und schlechte Stimmung auf beiden Seiten erzeugt.

Hapert es dagegen eher am Lernerfolg oder den handwerklichen Fähigkeiten, lohnt es sich, gemeinsam zu überlegen, wo genau die Probleme liegen, wie man am besten lernt und ob vielleicht mit einem passenden Nachhilfe- oder Trainingsangebot eine Lösung gefunden werden kann.

Es ist meine feste Überzeugung, dass jeder junge Mensch prinzipiell bereit und gewillt ist, etwas zu lernen, zu leisten und sich daran zu erfreuen, wie die eigenen Fähigkeiten mit jedem Tag ein bisschen besser werden. Wenn diese Begeisterung aus irgendeinem Grund verloren gegangen und dem Frust über die Arbeit gewichen ist, lohnt es sich, nochmal genau hinzuschauen – auch der Lehrbetrieb hat, nachdem er schon ein oder zwei Jahre in die Ausbildung investiert hat, sicher Interesse daran, die Ursachen des Problems zu finden und zukünftig wieder eine*n motivierte*n junge*n Mitarbeiter*in im Betrieb zu haben!

Nun gut, vielleicht nützt mir so eine Mediation ja doch was. Was könnte das Ergebnis einer Mediation sein?

Ergebnis einer solchen Mediation kann

  • im besten Fall die Weiterführung des Lehrverhältnisses nach einer Aussprache über die aufgetretenen Probleme sein,
  • aber auch eine einvernehmliche oder einseitige Auflösung des Lehrverhältnisses,
  • eine berufliche Umorientierung, beispielsweise
    • Umstieg von einer Doppellehre auf eine einfache Lehre,
    • Umstieg auf einen “einfacheren” Lehrberuf (zB von Hafner auf Fliesenleger),
    • Umstieg von einer Lehre auf ein Anstellungsverhältnis,
    • Aufnahme eines Studiums bei vorliegender Studienberechtigungsprüfung,
  • ein Wechsel der Betriebsstätte,
  • ein Wechsel der Ausbildungsperson,
  • ein Abschluss der Ausbildung ohne Lehrbetrieb oder als überbetriebliche Lehre,
  • eine Abmachung über den Inhalt des Arbeitszeugnisses,
  • oder viele andere Möglichkeiten.

Da keine zwei Situationen genau gleich sind, wird im Rahmen der Mediation individuell geklärt, welche dieser Möglichkeiten für die betroffenen Personen und Betriebe am besten passt.

Wer trifft bei einer Mediation die letzte Entscheidung?

Ziel ist eine einvernehmliche Lösung zwischen Lehrling und Lehrbetrieb, also eine weitere Vorgehensweise, mit der beide Seiten einverstanden sind.

Der*die Mediator*in ist neutral, er*sie ist kein Schiedsrichter und trifft keinerlei Entscheidungen, sondern moderiert lediglich das Gespräch zwischen Lehrling und Lehrbetrieb.

Was, wenn wir zu keiner einvernehmlichen Einigung kommen?

Verpflichtend ist lediglich der von beiden Seiten ernsthaft unternommene Versuch einer Mediation; niemand kann garantieren, dass eine einvernehmliche Einigung erreicht werden kann.

Solange mindestens ein Gespräch mit allen notwendigen Beteiligten stattgefunden hat, gilt die Mediation als durchgeführt und ermöglicht die einseitige Auflösung des Lehrverhältnisses. Dasselbe gilt, wenn der Lehrling auf das Angebot der Mediation verzichtet.

Wie läuft eine Mediation ab?

Der zentrale Teil einer Lehrlingsmediation ist ein gemeinsames Treffen (ca. 90-120 Minuten), bei dem die folgenden Personen anwesend (oder zumindest eingeladen) sind:

  • Lehrling
  • Lehrberechtigte*r
  • Weitere zentral am Konflikt beteiligte Personen, zB Ausbildungsperson, wenn dies eine andere Person als der*die Lehrberechtigte ist
  • Bei minderjährigen Lehrlingen: gesetzliche*r Vertreter*in (Erziehungsberechtigte*r)
  • Falls im Betrieb vorhanden: Betriebsrat
  • Falls im Betrieb vorhanden: Jugendvertrauensrat
  • Auf Wunsch des Lehrlings: Vertrauensperson

Wer kann Vertrauensperson sein?

Der Lehrling hat das Recht, eine beliebige Person seines Vertrauens mitzubringen. Das kann beispielsweise ein Familienmitglied sein, ein*e Lebensgefährt*in, eine gute Freundin, der Lieblingslehrer aus der Schule, eine Sozialarbeiterin, ein Anwalt, eine Nachbarin, ein Arbeitskollege, …

Kann ich den*die Mediator*in aussuchen?

Nicht direkt, aber zu einem gewissen Grad mitbestimmen. Der Lehrbetrieb schägt eine*n Mediator*in vor. Der Lehrling kann diesen unverzüglich ablehnen. In diesem Fall schlägt der Lehrbetrieb zwei andere Mediator*innen zur Auswahl vor, zwischen denen der Lehrling unverzüglich auswählen muss. Tut er das nicht, gilt der Erstvorschlag als angenommen.

Wie soll ich mich vorbereiten?

Sich vorab schon einmal Gedanken über die folgenden Fragen zu machen unterstützt die bevorstehende Mediation:

  • Wo liegt das Problem?
  • Was könnte meine*n Chef*in dazu bewogen haben, eine Mediation zu versuchen?
  • Was könnte mein*e Chef*in sich von mir wünschen als Voraussetzung, das Lehrverhältnis fortzusetzen?
  • Was wünsche ich mir meinerseits vom Lehrbetrieb?
  • Will ich die Lehre überhaupt fortsetzen?
  • Will ich die Lehre in diesem Betrieb fortsetzen?
  • Wenn nein, was wünsche ich mir als Unterstützung für meinen weiteren Berufsweg (zB Arbeitszeugnis, Lehrstellensuche, …)?

Moment… Wenn ich zum Termin einfach nicht komme, muss der Lehrbetrieb mich dann behalten, weil keine Mediation stattgefunden hat?

Dies verneint die Wirtschaftskammer ganz klar.

Mein*e Chef*in hat noch gar keine Mediation vorgeschlagen, aber ich habe meinerseits einige Sachen, die ich mir mit ihm*ihr ausreden möchte. Kann ich eine Mediation auch von mir aus anregen?

Selbstverständlich! Die verpflichtende Mediation bei einer beabsichtigten einseitigen Auflösung des Lehrverhältnisses ist nur ein spezieller Sonderfall im Mediationsrecht, die überwiegende Mehrheit der Mediationen findet auf freiwilliger Basis statt zwischen Menschen, die die gemeinsame Absicht haben, wieder besser miteinander auszukommen.

Es besteht für den*die Chef*in aber keinerlei Verpflichtung, an einer solchen Mediation teilzunehmen, und auch die Kostenfrage ist individuell zu klären. Es empfiehlt sich also, in diesem Fall den*die Chef*in einfach einmal selbst anzusprechen und eine Mediation vorzuschlagen. Vielleicht wollte er*sie ohnehin auch schon länger einmal Dinge ansprechen – und manchmal klären sich dann Sachen sogar viel einfacher als erwartet bei einem Kaffee oder Tee, ganz ohne Mediation.

Wo finde ich weitere Informationen?